Write What You Love

Als Person, die viel und – wenn ich das so sagen darf – auch recht differenziert liest, frage ich mich manchmal, wieso ein Roman mich absolut begeistert und ich ihn meinen Freund*innen weiterempfehle und ein anderer mit einer ähnlichen Thematik mich kalt lässt. Wenn ich mir diese Romane jedoch angeschaut habe, wurde klar, dass der Unterschied auf der Hand lag: Die Romane, die ich mochte, gingen tief ins Detail, ihre Autor*innen kannten sich offensichtlich gut aus mit dem, was sie da geschrieben haben, und haben dafür auch augenscheinlich eine gewisse Begeisterung aufgebracht.

Natürlich ist das kein Universalrezept. Es handelt sich hierbei um eine rein subjektive Ansicht von mir als Leser*in. Und viele Autor*innen haben natürlich nicht den Anspruch, etwas zu schreiben, was nicht belanglos ist, das ist valide. Auch ein Roman, dessen Autor*in sich mit seiner Materie exzellent auskennt, wird nicht von allen gemocht werden, und ein Roman, dessen Autor*in sich, während si*er schreibt, alles aus den Fingern saugt, wird nicht universell verabscheut werden. Aber von dem, was ich von anderen Leser*innen und auch Autor*innen gehört habe, scheint dies ein bedeutender Faktor zu sein.

In allen Romanen, denen ich das Label „gut“ geben würde, sehe ich tiefe Liebe zu irgendeinem Subjekt: „Herr der Ringe“s Tolkien liebte Katholizismus. „Lolita“s Nabokov liebte die englische Sprache. „If We Were Villains“‘ M. L. Rio liebt Shakespeares Werk, „Silk Is For Seduction“s Loretta Chase liebt die Mode der 1830er, „The City of Brass“‘ Shannon Chakraborty liebt islamische Folklore. Man spürt das auf jeder Seite dieser Bücher. Diese Autor*innen haben sich mit dem jeweiligen Thema nicht nur oberflächlich auseinander gesetzt, sie mögen nicht einfach die hehre Ästhetik oder ein paar Fun Facts, die sie aus TikToks ohne Quellenangaben gelernt haben, sondern sie kennen sich aus, sie haben dazu recherchiert und sich selbst an einen Punkt gebracht, an dem sie mit einiger Kompetenz darüber reden können.

Aber es reicht nicht, einfach irgendetwas zu lieben. Auch das wurde überdeutlich, als ich darüber nachdachte.

„Ich liebe meinen Hauptcharakter!“ Dann liebst du eine Facette deiner eigenen Kreativität, etwas, was nirgends verankert ist und über das du nichts herausfinden kannst, sondern alles im luftleeren Raum erfinden musst. Wir alle kennen das Phänomen der „Mary Sue“, des von der*dem Autor*in geliebten makellosen Charakters, bei dem egal ist, was ihm passiert, es macht ihn immer nur strahlender, intensiver, Aufmerksamkeit erregender – alles gereicht ihm zum Vorteil. Das ergibt zwar tolle Machtfantasien, ist aber für Lesende generell langweilig. Was liebst du außerhalb von Aspekten deiner selbst?

„Ich liebe Fantasy!“ Dann liebst du das Genre, in dem du schreiben willst. Das bedeutet, dass du den Tropes, Plotstrukturen und anderen Konventionen des Genres nichts hinzuzufügen hast: Alles, was du tun kannst, ist das, was andere Leute geleistet haben und was du selbst konsumiert hast, hochzuwürgen und wieder aufzuwärmen.

Nein, wenn ich sage „Write what you love“, meine ich konkret, sich ein Thema auszusuchen – gerne auch eines, von dem man noch nicht viel versteht, und sich wirklich intensiv damit zu befassen, zu recherchieren, Quellen zu lesen und das Thema anhand dessen wertzuschätzen und zu würdigen – genug, um anderen etwas darüber beibringen zu können. Das ist, wie eindringliche, und auch sehr oft, wie originelle Geschichten entstehen. Wie ich in einem meiner Artikel schon sagte, haut es heute niemanden mehr vom Hocker, einen 08/15 Hero’s Journey-Fantasyroman mit einer queeren Hauptperson zu lesen.

Aber ein Fantasyroman mit einer queeren Hauptperson, in dem Glasbläserei ein zentrales Thema ist, weil der*die Autor*in Glasbläserei liebt?

Oder vielleicht kann der*die Autor*in ihr*sein Wissen über die Zucht von Rassekatzen auf die Zucht von Greifen übertragen?

Ein SciFi-Roman über Essen, geschrieben von einer*einem leidenschaftlichen gelernten Koch*Köchin?

Ein Horrorroman, der die Geschichte eines Ortes zur Grundlage hat, mit dem sich di*er Autor*in schon seit Jahren intensiv befasst?

Was ist es, was du liebst, wozu du wirklich etwas zu sagen hast oder haben willst? Nichts ist zu albern oder zu weit hergeholt, um einen Roman daraus zu machen. Eigne dir Wissen dazu an, geh in die Tiefe, und dann komm wieder hoch und schreibe einen Roman, der Leuten im Gedächtnis bleibt.

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